Von Carles garcia-roca - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3050126
Mit der nach ihm benannten Ponseti-Methode hat der Arzt Ignacio Ponseti die Klumpfußbehandlung revolutioniert. Wer war der Mann – und was war seine bahnbrechende Erkenntnis? Ein Überblick.
Ignacio Ponseti wurde am 3. Juni 1914 in Ciutadella (Menorca, Spanien) geboren. Kurz nach Abschluss seines Medizinstudiums in Barcelona brach der spanische Bürgerkrieg aus. Anfangs kämpfte Ponseti auf der Seite der Loyalisten gegen den putschenden General Francesco Franco – flüchtete aber später über Frankreich nach Mexiko, wo er als Arzt praktizierte. 1941 begann er mit dem Orthopädiestudium in Iowa (USA), 1944 erhielt er eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung und wurde Mitglied der Orthopädischen Fakultät an der University of Iowa Hospitals and Clinics. Während seiner Tätigkeit als Arzt entwickelte er die Ponseti-Methode, die die Klumpfußbehandlung grundlegend revolutionierte. Er starb am 18. Oktober 2009 im Alter von 95 Jahren. Details zu seinem Leben finden sich unter anderem in einem umfangreichen englischsprachigen Wikipedia Artikel sowie in der Biografie seiner Ehefrau Helena Percas-Ponseti (Homage to Iowa: The Inside Story of Ignacio V. Ponseti. University of Iowa Press, 2007).
Ponsetis größte medizinische Errungenschaft ist eine ebenso einfache wie bahnbrechende Erkenntnis. Er fand heraus, dass die verschiedenen Knochen, Knorpel und Bänder im Fuß als funktionale
Einheit zusammenhängen. Dieses Wissen – die so genannte kinematische Kopplung – hat die Klumpfußbehandlung grundlegend verändert.
Bislang gab es grob vereinfacht zwei Methoden zur Behandlung eines Klumpfußes. Die „mechanische Methode“ wurde bereits im Mittelalter praktiziert. Dabei wurde der Fuß durch teils abenteuerliche
Schraub- und Press-Vorrichtungen in die gewünschte Position gezwungen. Wenn überhaupt, konnte die komplexe Fehlstellung so auf eine sehr schmerzhafte Weise optisch korrigiert werden. Eine gute
und schmerzfreie Funktionalität wurde nicht erreicht, so dass sich diese Methoden nicht etablieren konnten.
Den zweiten Ansatz, den chirurgischen Eingriff, haben wir der modernen Medizin zu verdanken. Er hat sich in Deutschland in den 1980er Jahren durchgesetzt. Dabei wird der Fuß, vereinfacht gesagt,
geöffnet und die betroffenen Knochen und Bänder neu arrangiert. So lässt sich der Klumpfuß sowohl optisch, als auch funktional korrigieren. Langzeitstudien zeigen jedoch, dass Betroffene häufig
über Schmerzen klagen und vermehrt Probleme mit Rezidiven oder Steifheit auftreten können. Zudem ist die Operation für die Patienten ein belastender Eingriff.
Mit der Erkenntnis der kinematischen Kopplung fand Ponseti die Antwort auf die Frage, warum die rein mechanische Korrektur in der Praxis bislang nicht funktioniert hatte. Bei der „ungeordneten“ mechanischen Verschiebung verhindern die verkürzten Sehnen, die in einem komplexen Netz mit den Knochen verbunden sind, die funktional richtige Anordnung im Fuß. Ponseti erkannte, wie die verschiedenen Komponenten zusammenhängen (kinematische Kopplung) – und wie sich dieses Wissen zur Klumpfußbehandlung nutzen lässt. Bei der Ponseti-Methode werden bestimmte Deformitäten, die den Klumpfuß ausmachen, mit einer mehrstufigen Gipsredression nacheinander statt gleichzeitig behandelt. In der ersten Behandlungsphase werden alle Fehlstellungen außer der Spitzfußkomponente simultan korrigiert. Dabei ist es aufgrund der kinematischen Kopplung entscheidend, den Talusknochen während der Manipulation mit dem Daumen in seiner ursprünglichen Position zu halten. Anschließend wird der Fuß in der neuen Position mit einem Gips fixiert, so dass sich die Sehnen aufdehnen und sich die Fußglieder an die neue Position gewöhnen. Dieser Schritt wird solange wiederholt, bis die Deformitäten vollständig korrigiert sind. Im Anschluss wird die Spitzfußkomponente nach demselben Prinzip behandelt. Eine Gipsbehandlung erfordert in der Regel sechs bis acht jeweils einwöchige Gipse und wird meist mit einer Achillessehnentenotomie abgeschlossen. Das Durchtrennen der Sehne mit einem kleinen Schnitt durch die Haut reduziert die Zugkräfte und Belastungen auf den frisch korrigierten Fuß. Die Sehne wächst im Säuglingsalter schnell wieder zusammen. Anschließend ist eine mehrjährige Schienenbehandlung erforderlich, bei der der Fuß durch eine Nachtlagerungsschiene (Klumpfußschiene) während der Schlafenszeiten in der neuen Position gehalten wird. Studien zeigen, dass die Schienenbehandlung ein wichtiger Baustein für einen dauerhaften Erfolg ist, da sonst das Risiko eines Rezidivs (Rückfall) droht.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Von Amerika aus hat sich die Ponseti-Methode als medizinischer Standard etabliert. Aber es hat lange gedauert, bis sich die Ponseti-Methode in Deutschland und Europa flächendeckend durchsetzen konnte. Deutschlandweit werden aktuell jährlich etwa 500 Babys mit einem Klumpfuß geboren. Der überwiegende Anteil kann mit der Ponseti-Methode erfolgreich behandelt werden. Ganz anders jedoch sieht die Situation in vielen Ländern in Afrika oder Osteuropa aus – etwa aufgrund eines schlechten Gesundheitswesens mit fehlenden medizinischen Kapazitäten oder Kompetenzen. Deshalb engagieren wir uns gezielt für die weltweite Verbreitung der Ponseti-Methode, unter anderem durch die Unterstützung von Ponseti-Workshops mit Schulungsmaterialien für Ärzte.
Das 32-seitige Handbuch wurde in Zusammenarbeit mit Ignacio Ponseti entwickelt und ist in vielen verschiedenen Sprachen erhältlich. Die Broschüre dient der internationalen Verbreitung der Methode und zeigt detailliert anatomischen Grundlagen, das Prinzip der Ponseti-Behandlung, sowie den Prozess selbst auf. Hier finden Sie die Broschüre in verschiedenen Sprachern zum Download.
Mittlerweile ist die geduckte Ausgabe meistens vergriffen: Mit seinem Buch zur Behandlungsmethodik von kongenitalen Klumpfüßen legt Ponseti das wissenschaftliche Fundament für eine neue, sanfte Therapieform. Hier ist das Werk in mehreren Sprachen, u.a. Englisch kostenlos als PDF zum Download erhältlich.